Nerdsplaining
Eine Feministische Kritik an nerdscher Redekultur


Wir sind uns unsicher. In der Art wie wir mit Menschen kommunizieren und mit ihnen umgehen. Gefangen von Gedanken darüber, wie die anderen uns sehen, was sie wohl denken und fühlen. Überwältigt von schlechten Erfahrungen, Abweisungen & Kränkung. Irgendwo davor, dazwischen oder danach entdecken wir die Welt der Computer. Wir sind Nerds.

Eine Welt mit klaren Regeln, in der Fehler mit CTRL+Z rückgängig gemacht werden können und vorallem klar an der Person vor der Tastatur liegen, manchmal an einer schlechten Doku, manchmal am Code selbst, aber immer gehüllt in einer Art ultimativer Pixelwahrheit. Doch Menschen kann man nicht updaten, compilen, pushen und pullen. In der echten Welt stellen sich die Interaktionen als schwieriger heraus. Da gibt es Gefühle, Menschen die sich nicht einordnen lassen oder eingeordnet werden wollen, unterschiedliche Wissensstände, Geschichten und Meinungen. Deshalb fühlen sich viele von uns in Hackspaces wohl, Orte an denen wir uns vorallem über Technik ausstauschen, streiten und disskutieren können, oft ohne auf den menschlichen Balast der Emotionen rücksicht zu nehmen.

Gerade als weiblich gelesene Person bekommt man in Hackspaces besonders viel Aufmerksamkeit. Allerdings ist es eine Aufmerksamkeit, die einen oft nicht mit den eigenen technischen Zielen weiterbringt sondern eher verunischert, verwirrt und nicht zuletzt einschüchtert. Der generelle sprachliche und didaktische Ansatz vieler Nerdculture Eingeschworenen ist bei Erklärversuchen vielleicht ungewollt, doch oft unreflektiert beengend. Oft fallen dabei Sätze wie "Das MUSST du so machen", "Das ist doch ganz einfach" oder "das konnte ich schon mit 13". Dass dabei Personen, die anders sozialisiert wurden und nicht von Kindheit an RAM-Riegel in den Mund geschoben bekommen haben, nicht die selben hardware- und kulturellen Priviligien genossen haben, wird oftmals nicht erkannt. Auch der permanente Verweis auf Dokumentationen und Man-Pages hilft keiner Person, die zum Teil nicht weiß wie man eine man-page aufruft, geschweige denn was eine man-page ist oder einfach von Dokumentationen, die aussehen als wären sie von einem Telefonbuch aus den 80gern inspiriert sind überfordert die Tastatur hinschmeisen. Natürlich geht es nicht darum irgendwem etwas digital vorzukauen und es Menschen abzusprechen selbst zu recherchieren, denken und tippen zu können, aber eine sensible Hilfestellung die zwar die Person selbst handeln lässt und doch bei Schwierigkeiten nachhilft ist zumindest ein Ansatz.

Wir fühlen uns wohl in dieser Welt aus kleinen aneinandergereihten Buchstaben: IMAP, SMTP, SSH, VPN, Tor, TCP/IP. Und doch überfordern wir alle, die uns zuhören und keine Bilder voller Informationen mit diesen Buchstaben verbinden.

Sollte es nicht darum gehen, für alle zugänglich genau diese Bilder zu schaffen, Erklärversuche zu finden die eine vernetzte Welt wieder entmystifizieren? Menschen die von Google, Facebook & Apple zu reinen Technologie Konsument*innen degradiert wurden, wieder zu ihrer Selbstermächtigung über Technologie zu verhelfen? Wer Lust hat, in die Komplexität der verschiedenen Schichten der Informatik einzutauchen, sollte nicht von Read-The-Fucking-Manual T-Shirts abgeschreckt werden. Auch nicht von egotrippenden Nerds, die gerade völlig vergessen haben, dass sie keinen TED Talk über redundante E-Mail Infrastruktur halten. Sondern dass ein Mensch sie nach Unterstützung beim Einrichten von ihrer E-Mail Software gefragt hat, und eigentlich nur ihr G-Mail Account los werden möchte.

Das wichtigste ist aber, dass wir selbst in unserer Unsicherheit nicht vergessen dürfen, wie viel wir von anderen lernen können. Auf Gebieten, die wir nicht einmal Ansatzweise verstehen. Denn wir sind auch immer Nichtwissende einer anderen Person.

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